Dienstag, 28. August 2007

Ritual

Wie jeden Morgen bei Sonnenaufgang wanderte er am Meer entlang. Tief atmete er die frische Seeluft ein, schmeckte das Salz in der Luft und fühlte die ersten Sonnenstrahlen auf seinem Gesicht.
Wie jeden Morgen ging er den gut zwei Kilometer langen Strand hinab zu seinem Lieblingsplatz, einem flachen Felsen, von dem aus er einen guten Überblick über die ganze Küste hatte. Als Kind hatte er oft stundenlang hier gesessen, den Segelschiffen beim Vorbeifahren zugeschaut, dem Geschrei der Möwen gelauscht und in seiner Phantasie wilde Kämpfe mit schrecklichen Seeungeheuern ausgefochten. Über achtzig Jahre lag das nun zurück. Damals, als es noch keine großen Fischkutter gab, die den Leute aus dem Dorf den Fang wegnahmen. Damals, als man noch bedenkenlos jeden Fisch essen konnte, den man im Meer gefangen hatte. Und dann später, als er älter und kräftiger wurde und an manchen Tagen über hundert Kilo Fisch mit seinem kleinen Boot heim brachte. Als er seine Frau und seinen Sohn mit dem Fischfang gut versorgen konnte und ihnen das kleine Haus oben auf der Klippe baute. Es war eine gute Zeit gewesen.
Seit einigen Jahren fuhr er nicht mehr nachts raus. Er war zu alt, der Fang zu gering, es lohnte sich nicht. Sein Sohn arbeitete auf einem dieser riesigen Fischkutter und sein Enkel saß den ganzen Tag vor seinem Computer. Mit ihm würde eines Tages die lange Tradition der Fischerei vollständig aus der Gegend verschwunden sein.
Er setzte seinen Spaziergang fort und wunderte sich, dass ihn der Enkel vom Nachbarn nicht gegrüßt hatte, der gerade mit seinem Hund an ihm vorbeigelaufen war. Auch der Hund hatte ihn nicht beachtet. Verwirrt schaute er den beiden nach, beschloss dann aber nichts zu sagen.
Er erreichte seinen Felsen, setzte sich und sog den Duft des Meeres in sich auf.
In diesem Moment fand ein junger Systeminformatiker in einer gut zwei Kilometer entfernten Fischerhütte seinen Großvater in seinem Bett liegend. Die Obduktion ergab später, dass er gegen zwei Uhr nachts verstorben sein musste.

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ich fins's prinzipiell einen guten Ansatz.
Motzereien auf den ersten Blick:
- der erste und der zweite Absatz fangen beide mit "Wie jeden Morgen" an, und es wirkt nicht wie ein Stilmittel.
- würde ein Fischer einen Fang solcher Dimension nicht eher mit Zentner angeben?
- den Vorfall mit dem Enkel und seinem Hund würde ich etwas subtiler darstellen (näheres gerne später).
- würde man bei einem Herrn dieses Alters wirklich eine Obduktion durchführen lassen - erscheint ein Tod durch Altersschwäche nicht irgendwie logisch?
- finde den Text insgesamt zu kurz. Macht auf mich den Eindruck, als hättest du die fixe Idee für den Plot gehabt und dann den Part zwischen Anfang und Ende noch schnell mit ein paar Sentimentalitäten aufgefüllt.

Fürs Protokoll: meckern kann ich eben am besten. Aber ich weiß ja, dass du es richtig verstehst. :)

basser hat gesagt…

Mit einem Schlag wird des Schriftstellers zartes Selbstbewustsein in tausend Stücke gefetzt... Und komm mir hier nicht mit Logik! Das ist KUNST!!!!

Ne, Quatsch! Ich werde mir dieses Kritikpunkte fürs nächste Mal zu Herzen nehmen... ;)

Lars hat gesagt…

Ich finde die Prämisse sehr gut. Ich will mehr wissen, mach nur weiter.